Rebecca Vogels weiß: „Storytelling kann uns helfen, uns selbst besser zu verstehen und klarer zu sehen, was uns wichtig im Leben ist.“
Gut so. Gut ist, dass Rebecca Vogels in Workshops und Seminaren ihr Wissen verbreitet. Sie hilft „Menschen, ihre eigene Geschichte zu definieren“. Oft begegnet der Mentorin eine unterbelichtete Skepsis.
Rebecca Vogels. „Erzähl dein Leben neu“, Droemer Knaur, 267 Seiten, 14.99 Euro
Den Zaghaften hält Vogels entgegen: „Wir alle haben eine Geschichte. Wir haben bestimmte Erlebnisse, die uns zu der Person gemacht haben, die wir heute sind. Und wir alle können Storytelling nutzen.“
Vogels rät: Setz dich mit den Höhen, Tiefen und Wendepunkten deines Lebens auseinander. Denk mal nach und überleg dir was. Die Spezialistin empfiehlt eine Struktur. Bruce Lee würde Vogels widersprechen: Sei wie das Wasser. Sei formlos, würde er sagen. Jede Struktur kann kollabieren. Wasser kollabiert nicht. Verlass dich auf die fluide Potenz der großen Erzählung, diesem Fluss, dessen Strömung dich ans Ziel bringt.
Vogels datiert frühe Erkenntnisse auf ihre Zeit in New York. Sie war dreiundzwanzig und kannte niemanden in Megapolis. Auf sich zurückgeworfen, erkannte sie ihre Daseinsmuster.
„Welche wiederkehrenden Muster gibt es ...?“
„Jeder von uns hat eine Geschichte.“
Mit dieser Einsicht taktet Rebecca Vogels auf. Diese Geschichte erklärt unser Leben und vielleicht ist sie sogar noch mehr. Ich lebe in meinen Geschichten. Mein Lebenstraum heißt Textland. Deshalb besticht mich Vogels Idee auf Anhieb.
Aus dem Pressetext
Stellen Sie sich manchmal auch folgende Fragen:
Die Antwort lautet: Vergessen Sie Smalltalk. Vergessen Sie all die eingemeißelten und doch so austauschbaren Daten und Fakten. Erzählen Sie ihre eigene persönliche Lebensgeschichte! Und lassen Sie vor allem nicht die wirklich prägenden Erlebnisse aus. Rebecca Vogels zeigt, wie wir mit der Methode des Storytellings unser Leben selbst in die Hand nehmen und unsere Identität definieren können.
Fiktional-Existenzialismus
„Was ist meine Geschichte?“
Zum ersten Mal denkt die Autorin in New York über die Frage nach. Sie ist dreiundzwanzig und hat soeben einen Sprung ohne Netz und doppelten Boden gewagt. Woah! Wie smash ist das denn. In New York wissen die Leute, wie es geht. „Kurz und prägnant“ und oft auch „lustig“ tellen sie ihre Story im Plural der People.
„Egal ob bei einer Fahrt im Taxi, beim Bäcker in der Schlange oder in der U-Bahn – überall (erzählen) mir Menschen ihre Story.“
In Arenen des Zufalls listen sie ihre Antriebe. Gern erläutern sie, was sie morgens in Gang setzt und abends aufs Laufband treibt. Sie zeichnen der Zuhörerin eine Schatzkarte, auf der Highspeed-Quellen ihres Ehrgeizes vermerkt sind. Zu erkennen geben sie sich stets als gewiefte Krisenmanager*innen.
Vogels begreift: „Wir sind alle die (Autor*innen) unserer eigenen Lebensgeschichte.“
Storytelling als strategische Intervention
Die Großerzählung bietet uns buchstäblich phantastische Gestaltungsmöglichkeiten. Sie erlaubt, die Walze der Phantasie aus dem Innenweltfuhrpark in den physischen Raum zu steuern. Ich sage das kurz mit meinen Worten. Der Fiktional-Existenzialismus zählt zur Gedankenkraft und die Gedankenkraft findet statt im Milieu von Magic Force (man sieht etwas, erkennt aber nicht, wie es zustande kommt). Das ist sehr weit weg von Stupid Force und Monkey Dance.
Der Fiktional-Existenzialismus koinzidiert mit der Totalfiktion. Er hebt uns an und macht uns endlich zu Regisseur*innen. Jetzt entscheiden wir, wer welche Rolle spielt. Wir beanspruchen die Deutungshoheit, soweit es unser Leben betrifft. Dafür gehen wir durch die Decke, wenn es denn sein muss. Wir stoßen aus der Passivität in die kontrollierte Offensive vor, unabhängig von unseren geografischen und sozialen Standorten. Vogels zieht von New York nach Wien, dann nach Boston und San Francisco. Sie schließt ihr Studium ab, heiratet Benjamin nach langer Prüfung und macht sich selbständig. Sie betreibt eine Art Geburtshilfe für das biografische Begreifen. Vogels schlägt ihre Klient*innen aus den Massenverpackungen und zeigt ihnen das ureigene Bio-Path-Outfit. Wer den Bio-Path beschreitet, avanciert zwangsläufig zur Herzogin des Selbst.