Gotti dreht „Rederunden” im Andenken an den verblichenen Paten Carlo Gambino, „der angeblich als freier Mann“ einen natürlichen Tod starb, „weil er nur mit einer Handvoll vertrauenswürdiger Untergebener über Familienangelegenheiten sprach und auch das nur flüsternd unter freiem Himmel“.
Wie alle Nachkommenen achtet Gotti die Regeln der Altvorderen nur, um sie an der falschen Stelle zu übertreten. Gemeinsam mit ‚Sammy the Bull‘ Gravano gibt der Boss immer wieder der eigenen Bequemlichkeit nach. Die Ehrenmänner nutzen eine Wohnung im Clubhaus. Die achtzigjährige Witwe eines bewährten Mannes stellt sie zur Verfügung. Das FBI verwanzt die Bude.
Ich mache an anderer Stelle weiter. 1957 schloss die amerikanische Mafia die Bücher. Das ist eine klassische Formulierung. Die Familien stellten die Rekrutierungen ein. 1975 wird der Beschluss aufgehoben. Die Cosa Nostra gestattet sich personelle Erweiterungen, die in ihren Einzelheiten allen Paten der Big Five zur Kenntnis gebracht werden müssen.
Die Vorstände informieren sich gegenseitig. Den nächsten Aufnahmestopp perforiert allein die Vorgabe, für verstorbene Soldaten Ersatzmänner zu inkorporieren.
„Da es sich um die Mafia handelt, betrügen die Familien natürlich und verwenden regelmäßig die Namen Verstorbener wieder.“
„Doch man muss aufpassen, dass man nicht denselben Toten zwei Jahre in Folge verwendet.“
Das FBI hört, wie Gotti seine Unterführer instruiert. Es bekommt Kenntnis von Mordaufträgen. Ein Mann soll sterben, weil er „nicht den notwendigen Respekt an den Tag gelegt hat“.
Godfather Gotti: „Er wird sterben, weil er nicht kommen wollte, als ich ihn gerufen habe.“
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“It was Comey’s epic mishandling of the Hillary Clinton email case in 2016 that, arguably, gave Donald Trump the presidency.” New York Times
“James Comey Still Feels The Pain Of The Clinton Email Decision”
In einem Gespräch mit Stephen Colbert zitiert Comey aus dem Ulysses ... „history is a nightmare from which I'm trying to awake“, um dann doch nicht zu finden, dass seine Einschätzungen im Hillary Clinton Case so gravierend neben der Realität lagen. Joyce hätte auch an dieser Stelle etwas für den Juristen gehabt: „I fear all those big words which make us so unhappy“.
Hillary Clinton email controversy
Zwar wurde Comey vor Vorwurf einer politischen Justizhandhabung freigesprochen. Trotzdem bleibt eine Ungeheuerlichkeit im Raum stehen.
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“By the end of President Donald Trump’s crusade against American democracy ... a single word sufficed to nudge his most fanatical supporters into open insurrection. … Then he summarized the supposed crimes, simply, as bullshit.” The New Yorker
“The Department of Justice could not accept anything short of the whole truth and nothing but the truth.” J.C.
“James Comey’s view of justice - both the concept and the department - is ecclesiastical.” New York Times
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Trump verlangt von seinen Leuten Loyalität. Er siedelt Loyalität über Ehrlichkeit an. Er korrumpiert das System und stört das Gefüge von Checks & Balances.
“The national descent from strict, fact-based truth into a feckless mirage of truthiness, to use Stephen Colbert’s brilliant formulation.” New York Times
Es gibt keine funktionierende Demokratie ohne einen mehrheitsfähigen Wahrheitsstandard. Wir brauchen ein Reservoir des Vertrauens in unsere Institutionen. Im Original: “You can’t have a working democracy without an agreed-upon standard of truth. You need a reservoir of trust in our institutions if the government’s truth-work is to proceed.”
Vor allem darf die Macht nicht das Recht okkupieren.
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Sie lernen sich beim Studium in Virginia kennen. Gemeinsam malen Patrice und James sich eine Zukunft aus, in der New York nicht vorkommt. Aber dann wird die Metropole am Atlantik doch zum Generalschauplatz einer steilen Laufbahn. James Comey reüssiert zuerst am Bezirksgericht von Manhattan.
Das Paar bezieht eine schnucklige Wohnung über einem Fahrradladen in Hoboken, New Jersey. Der Hudson fließt vor der Haustür. Man nimmt den Bus oder die U-Bahn und ist überhaupt nicht abgehoben.
Rudy Giuliani steht an der Spitze aller Kratzer und dröhnt als Galionsfigur einer Egoshooter-Convention von einer Kanzel, die allein auf seine Person zugeschnitten wurde. Gleichzeitig listet man 1842 Morde in Rudys Stadt, ein lediglich vorläufiger Rekord im Jahr 1988.
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„Je klüger der Mensch, desto weniger ist er darauf gefasst, dass eine simple Kleinigkeit ihm zum Verhängnis wird.“ Dostojewski
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Notdürftig abgedeckte russische Regierungsstellen bringen via Facebook in Erfahrung, was Leute in Ohio oder Indiana von Putin halten. Jedes Dorf wird global gedacht. Wir entdecken pro-russische Hillbilly-Nester, denken Sie an Deer Hunter, und so abgesunkene Migrationsgeschichten ...
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Ex-FBI-Direktor James Comey erzählt, wie er zum ersten Mal Trump am Resolute Desk im Oval Office wahrnimmt. Der frisch Inthronisierte lässt seinem Hass auf Obama freien Lauf. Er steht im Begriff die persönliche Note des Vorgängers zu killen. Comey sitzt ihm gegenüber und hört sich an, wie Trump in Erinnerungen an Putin schwelgt, der angeblich mit ihm auch über Sexarbeiterinnen sprach.
„Wir haben ein paar der schönsten Huren der Welt“, soll Putin zu Trump gesagt haben.
Wen interessiert das. Entscheidend bleibt, dass Putin dazu beitrug, Trump an die Macht zu bringen. „Ein aggressives Russland“ installierte ein politisches Irrlicht auf dem amerikanischen Thron mit den Methoden von Cambridge Analytica (CA).
Christopher Wylie, der CA als sein Baby empfand, erklärt:
„Um eine nicht-kinetische Waffe zur … Dekonstruktion einer allgemeinen Wahrnehmung zu entwickeln, muss man zuerst genau wissen, was Menschen motiviert.“
Wylie unterscheidet die Nutzlast von Träger- und Targeting-Systemen. Im Informationskrieg ist die Nutzlast nicht kinetisch wie etwa der Sprengstoff einer Rakete. Sie kann ein Gerücht sein, das mit einem mehrheitsfähigen Narrativ koinzidiert. Jemanden unanständig, zynisch, misogyn und/oder homophob zu nennen, entspricht dieser Kombination von Mutmaßung und Kultur. Optimierung bedeutet, jenen Text zu destillieren, der die größte Sprengwirkung erzielt.
„Ich denke, es ist immer noch das Beste für das Land, Donald Trump nicht jeden Tag für die nächsten drei oder vier Jahre auf unseren Fernsehbildschirmen zu haben.“ J.C.
Reservoir of Trust
Lieber Cop als so ein krimineller Pippijunge, der sich auf die taffe Nachbarschaft seiner Kindheit was einbildet. Das sagt sich James Comey. Noch ist er jung und seine Verhältnisse sind dürftig. Er engagiert sich auf dem Parkett der Untouchables im Kampf gegen das organisierte Verbrechen.
“He pulls a knife, you pull a gun: that’s the Chicago Way”
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Es gibt keine funktionierende Demokratie ohne einen mehrheitsfähigen Wahrheitsstandard. Wir brauchen ein Reservoir des Vertrauens in unsere Institutionen. “You can’t have a working democracy without an agreed-upon standard of truth. You need a reservoir of trust in our institutions if the government’s truth-work is to proceed.”
Vor allem darf die Macht nicht das Recht okkupieren.
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Irgendwo bemerkt Comey, wie viel Zeit Mobster alter Schule haben. Die Spielfiguren der Mafia gliedern sich vor den Hauptmarken ihrer Territorien zu Ensembles der Macht. Sie stellen Langeweile aus und verachten so nebenbei die Müsamen und Beladenen. Sie schauen auf jene herab, die sich bewegen müssen, um ihre Familien in Gang zu halten.
Verbrecher flüstern viel im Freien. Sie hängen auch gern am Festnetz, einer Einrichtung, die sich in der Gangster-Ästhetik bald überlebt haben wird. Noch ist das stationäre Telefon ein Dreh- und Angelpunkt kriminellen Engagements.
„Die Erlaubnis, jemandes Telefon abzuhören oder eine Wanze in seinem Auto, Haus oder Büro zu verstecken, ist sehr schwer zu bekommen.“
Comey findet die hohe Hürde richtig. Er dient zwar als Staatsanwalt an einem New Yorker Bezirksgericht dem Recht auf die harte Tour, doch bleibt er auch an der Front ein Mann der Verfassung, deren Garantien sich in der Smartphone- und Facebook-Ära wie von selbst auflösen werden. Heute installiert die Verbraucherin selbst die Spy-Ware, mit der sie als Consumer Target ausgespäht wird. Mehr Virulenz steckt ohnehin nicht in ihr. Wir hängen alle so ein bisschen wie Würste in der Luft.
Aber in den Achtzigern weiß noch jeder, wo die Grenzen verlaufen. Vor allem wissen es die Mafiosi. Sie pochen auf ihre Rechte und sind auch sonst im Vorteil.
Will Comey einem Gangster ans Leder, muss er „im Rahmen einer längeren Aussage unter Eid glaubhaft machen, dass hinreichend Verdacht besteht, die potentielle Zielperson könne … schwere Straftaten begehen und sich dabei“ – jetzt kommt es und wie kurios erscheint es uns – „eines bestimmten Telefonapparats bedienen“.
Unter Brüdern heißt sans papiers, keinen Einfall auf Papier zu bringen. Beim Abhören dürfen nur die ersten Sekunden eines Gesprächs aufgezeichnet werden, es sei denn, die Ermittler kommen zu dem Schluss, „dass das Gespräch relevant, also wahrscheinlich kriminellen Inhalts … (ist)“.
Gespräche mit „Priestern, Rechtsbeiständen, Kindern und Golfpartnern (dürfen) nicht mitgehört werden“.
Die Investigativen arbeiten unter enervierenden Bedingungen. John Gotti, Boss der Gambino-Familie, kennt die Schwierigkeiten seiner Feinde. Sein Regierungssitz ist der Ravenite Social Club.