Die Mutter maß geringen Dingen „große Wichtigkeit“ bei und versäumte es im Gegenzug, dem Wesentlichen Aufmerksamkeit zu schenken.
Ein Spanier erinnert sich. Er hat einen Sprung in der Schüssel. Deshalb weiß er zwar noch, welcher Zigarettenmarke seine Eltern 1971 den Vorzug gaben, kann aber nicht angeben, in welcher Stadt er seine Aufzeichnungen erweitert. Seine Mutter kam aus einer Bauernfamilie, ein Großvater könnte Republikaner gewesen sein. Die Männer verband „biblische Trägheit“. Sie hinterließen nichts, sie wussten nichts. Sie irrten intuitiv.
Manuel Vilas, „Die Reise nach Ordesa“, Roman, auf Deutsch von Astrid Roth, 416 Seiten, Berlin Verlag, 24,-
Die Mutter maß geringen Dingen „große Wichtigkeit“ bei und versäumte es im Gegenzug, dem Wesentlichen Aufmerksamkeit zu schenken.
Einmal sagt der Erzähler über seine Verwandten. „Sie scheinen zu leben. Aber sie sind tot.“
Vermutlich würde er das auch von sich selbst behaupten, wäre er bereit, seine Bedeutungslosigkeit mit Originalität zu tünchen. Das will er nicht. Er macht den Leser zum Zeugen eines Triumphzugs der Nichtigkeit im Plural ihrer Erscheinungen.
Die Inexistenz beginnt zu Lebzeiten. Man verwest sozial. Die abgelebte Relevanz der Kontoauszüge wird zum Menetekel. Die philosophische Armut vernichtet den Horizont. Der verbrannte Vater des Erzählers gewinnt seine Übermacht zurück. Der Sohn begreift sich als Willensausdruck des Vaters, eines als Angestellten maskierten Akteurs der „Unterschicht“, frei von religiösen Anwandlungen.